Workshop bei GSI zur Strahlenhärteprüfung: Bedürfnisse von Forschung und Industrie im Blick
18.09.2024 |
Das Thema Strahlenhärteprüfung stand im Mittelpunkt eines Workshops, den das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung vor Kurzem gemeinsam mit den beiden GSI Use Case Initiativen der Helmholtz-Innovationsplattform Hi-Acts und der Firma Datzmann Interact & Innovate (DINI) als einem führenden Dienstleister im Bereich Strahlenhärteprüfung veranstaltet hat. Kernthemen dabei waren der aktuelle Stand, Best Practices, Herausforderungen und zukünftige Möglichkeiten auf dem GSI-Campus. Die Veranstaltung brachte Akteur*innen aus verschiedenen Abteilungen und Expert*innen sowie Perspektiven von GSI und externer Institutionen und Nutzenden zusammen. Ziel war es, ein besseres Verständnis der bestehenden technischen Möglichkeiten und Entwicklungen, der Bedürfnisse von Industrie und Forschung und zukünftiger Perspektiven im Bereich der Strahlenhärteprüfung zu entwickeln.
Zentrales Thema des Workshops waren zwei durch Hi-Acts, die Innovationsplattform für beschleunigerbasierte Technologien und Lösungen, geförderte Projekte: Das Projekt „Standardized Station for High-energy Heavy Ion Radiation on Electronics“ der GSI-Abteilung Biophysik und das Projekt „Microprobe 2.0“ der GSI-Abteilung Materialforschung. Beide Initiativen markieren bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet der Strahlenhärtetests für elektronische Bauteile, die im Weltraum eingesetzt werden.
Bei Weltraummissionen zum Mond und darüber hinaus kann die komplexe Strahlungsumgebung im Weltraum ein limitierender Faktor für die Erforschung des Weltraums sein. Die ionisierende Strahlung kann elektronische Geräte und Komponenten beeinträchtigen. Deshalb müssen missionskritischer Systeme vor dem Einsatz im Weltall auf ihre Strahlenhärte getestet werden.
Die bodengestützte Breitstrahl-Schwerionen-Charakterisierung von Elektronik erfolgt derzeit mit Niedrigenergie-Ionen, in der Regel an den Beschleunigern in Löwen (Belgien) und Jyväskylä (Finnland). In Anbetracht des Teilchenspektrums in diesen Niederenergieanlagen (mehrere zehn µm) müssen einige elektronische Geräte einer komplexen und invasiven Probenvorbereitung unterzogen werden, um ihre empfindlichsten oder kritischsten Komponenten den Ionenstrahlen auszusetzen. Um die Elektronik an Niederenergie-Beschleunigern zu testen, ist eine komplexe und invasive Probenvorbereitung erforderlich, um die kritischen Komponenten den Ionenstrahlen auszusetzen, da der Teilchenbereich auf ~100 µm begrenzt ist. Während in der Vergangenheit die Elektronik für die jeweilige Mission maßgeschneidert wurde und daher verschiedene Unterkomponenten separat getestet werden konnten, verwenden die Raumfahrtbehörden heute eher kommerzielle Standardkomponenten (components-of-the-shelf, COTS). Das Testen von COTS, die nicht zerlegt werden können, erfordert schwere Ionen mit einer Reichweite in Silizium von >1 mm. In Europa ist dies nur bei GSI möglich. Daher haben wir eine potenziell große Nachfrage der europäischen Raumfahrtindustrie, ihre moderne Elektronik mit den Hochenergiestrahlen (SIS18 und in Zukunft SIS100) bei GSI und FAIR zu testen, die bis zu U-Ionenstrahlen mit Energien von bis zu 1 bzw. 10 GeV/u liefern. Diese Strahlen sind auch deshalb von Interesse, weil die galaktische kosmische Strahlung (GCR) schwere Ionen mit Energien über 100 MeV/n enthält.
Das im Jahr 2023 durchgeführte Hi-Acts Use Case Initiative-Projekt der Abteilung Biophysik bei GSI hat einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines standardisierten Verfahrens hinsichtlich Montage, Positionierung und Bestrahlung von Elektronikproben geleistet. Diese Entwicklung ist ein bedeutender Schritt in Richtung Automatisierung und Standardisierung bei der Prüfung von Weltraumelektronik mit hochenergetischen Schwerionenstrahlen, der zu einem Standard-Workflow für externe Nutzer aus der Industrie führt. Ressourcen werden eingespart und die Arbeit wird effizienter, wovon die gesamte Raumfahrtindustrie profitiert.
Im Vergleich zu breiten Ionenstrahlen, ermöglicht die bestehende Schwerionen-Mikrosonde am GSI-Linearbeschleuniger UNILAC die Injektion von Ladungsträgern an räumlich definierten Stellen in integrierten Schaltkreisen zur Strahlungshärteprüfung von Detektoren und Elektronik mit Schwerionen-Mikrostrahlen.
Die UNILAC-Ionenstrahl-Energien von bis zu 11 MeV/u ermöglichen eine Eindringtiefe in die Materialien von bis zu 100 µm. Die Mikrosonde fokussiert die Ionen aus dem Linearbeschleuniger in einen Fokuspunkt von rund 500 Nanometern Durchmesser und positioniert die einzelnen Ionen quer über das Target. Die Auswirkung jedes einzelnen Ereignisses an seiner definierten Stelle in der elektronischen Vorrichtung wird registriert, um eine Karte der Strahlungsempfindlichkeit zu erstellen.
Mit Hilfe der Schwerionen-Mikrosonde können Benutzer*innen und Entwickler*innen die lokalen Auswirkungen dichter ionisierender Strahlung auf elektronische Geräte bestimmen, beispielsweise auf dem Weg zur Qualifizierung für den Einsatz im Weltraum. Das aktuelle Projekt der GSI-Materialforschung, „Microprobe 2.0“, wird die Hardware- und Softwaresysteme der aktuellen Mikrosonde zu einem einzigartigen und benutzerfreundlichen Einzelereignis-Effekt-Testsystem für integrierte elektronische Schaltungen erweitern. Das Projekt soll der Industrie den Zugang zum GSI-Linearbeschleuniger UNILAC erleichtern, um effizienter eigene hochauflösende elektronische Tests mit Ionenmikrostrahlen durchführen zu können, begleitet von einer Remote-Unterstützung durch Spezialist*innen.
Während des Workshops präsentierte GSI die Ergebnisse der jüngsten Mikroelektronik-Testkampagne, die von ESA und EU-Projekten durchgeführt wurde. Die Teilnehmenden erhielten von Gerd Datzmann (DINI) einen Einblick in die europäische Strahlungshärtetest-Landschaft sowie die Erwartungen und Bedürfnisse industrieller Nutzer. Ein Highlight war der Vortrag von Ruben Garcia Alia (CERN) über Best Practices im Bereich Strahlenhärteprüfung von Elektronik an Hochenergie Teilchenbeschleunigern. Er berichtete von seinen Erfahrungen aus den beiden EU-Projekten RADNEXT und HEARTS, die beide in Kooperation mit GSI erfolgen, und erläuterte die Hintergründe zur Entstehung des R2E (Radiation to Electronics) Projekts am CERN.
Gemeinsam wurden während des Workshops technische und wissenschaftliche Randbedingungen sowie wie die Anforderungen potenzieller Nutzer aus Industrie und Forschung diskutiert. Dabei wurden Ansätze erörtert, wie diese Anforderungen künftig in Einklang gebracht werden können, um Innovationen voranzutreiben und Herausforderungen in der Strahlenhärteprüfung zu meistern. (BP)
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