Innovative Impfstoffentwicklung mit Schwerionenstrahlen: Forschende von GSI und HZI untersuchen gemeinsam neue Methode
17.06.2024 |
Zum Nutzen der Menschheit rasch und schlagkräftig neue Impfstoffe entwickeln: Die COVID-19-Pandemie hat den Bedarf an wirksamen und schnellen Impfstoffverfahren besonders deutlich gemacht. Forschende des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben eine neuartige Methode untersucht, die das Potenzial hat, die Effektivität bei der zukünftigen Impfstoffentwicklung erheblich zu steigern. Dieser Ansatz nutzt Schwerionenstrahlen zur Inaktivierung von Viren und stellt damit eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Inaktivierungsverfahren dar, die oft die Wirksamkeit der Impfstoffe beeinträchtigen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Pharmaceutics“ veröffentlicht und stoßen in der Wissenschaftscommunity auf großes Interesse.
Die meisten für den menschlichen Gebrauch zugelassenen Impfstoffe enthalten entweder abgeschwächte Lebend- oder inaktivierte Viren (z.B. Influenza); neuere Ansätze basieren auf subzellulären Komponenten der Infektionserreger oder auf der genetischen Information, die für diese Antigene kodiert, etwa Vektor- oder mRNA-Impfstoffe. Um neue Impfstoffe zu entwickeln, benötigen Forschende Methoden, die zwar das Virus inaktivieren, seine Struktur – insbesondere die für die Immunantwort entscheidende Virushülle – aber möglichst wenig beschädigen. Bisher wird die Inaktivierung von Viren für die Impfstoffentwicklung mit konventioneller Gamma-Strahlung durchgeführt. Der Einsatz hoher Gammastrahlendosen führt jedoch zu einer Zerstörung von Oberflächenstrukturen, was die Fähigkeit zur Induktion einer adaptiven Immunantwort beeinträchtigen kann. Hier setzt das neue Projekt von GSI und HZI an.
Ziel war es, Influenza-Viren mit hochenergetischen Schwerionen zu bestrahlen. Energetische Ionen sind in der Lage, das Virus zu inaktivieren, indem sie mit nur wenigen Durchgängen in der Hülle Brüche in der viralen RNA induzieren und zugleich die Membranschäden minimieren und so die Oberflächenstrukturen schonen. Im Experiment an den Beschleunigeranlagen von GSI/FAIR wurde ein Influenza-Virus mit dem Eisenisotop Fe-56 bestrahlt, das bei 1 GeV/n am SIS18-Synchrotron beschleunigt wurde. Auf der Grundlage der resultierenden Viren stellte das HZI einen mit Schwerionen inaktivierten Grippeimpfstoff her und untersuchte ihn auf seine Fähigkeit hin, die Bildung von virusbindenden und neutralisierenden Antikörpern nach der Impfung zu fördern.
Dabei konnten die Forschenden feststellen, dass die Immunisierung von Mäusen mit dem inaktivierten Virus starke, antigen-spezifische zelluläre und humorale Immunantworten auslöste. Diese vielversprechenden Ergebnisse legen nahe, dass Schwerionenstrahlen eine innovative und effektive Methode zur Inaktivierung von Viren und zur Entwicklung wirksamerer Impfstoffe darstellen könnten.
Das Projekt wurde teilweise durch die Helmholtz-Förderung aus dem Innovationspool des Forschungsbereichs Materie unterstützt und im Rahmen der Experimentierzeit FAIR-Phase 0 von der GSI-Abteilung Biophysik unter der Leitung von Professor Marco Durante und HZI-Forschenden der Abteilung Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie unter Leitung von Professor Carlos A. Guzmán umgesetzt. Professor Durante zeigte sich erfreut über die wegweisenden Ergebnisse: „Es ist ein sehr innovativer Ansatz und ein hervorragendes Beispiel für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit in der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Erkenntnisse dieser Forschung könnten die Grundlage für zukünftige Impfstoffentwicklungen bilden und dazu beitragen, auf zukünftige Pandemien besser vorbereitet zu sein.“ (BP)