LHC-Betriebszeit mit Blei-Kollisionen in 2023 abgeschlossen – ALICE-Detektor in Betrieb mit entscheidenden Upgrades durch GSI/FAIR
16.11.2023 |
In der vor Kurzem abgeschlossenen ersten Schwerionenbetriebszeit des LHC in fünf Jahren war es Zeit für Blei-Ionen beschleunigt zu werden und Kollisionen für die Experimente zu liefern. Die Kerne kollidierten bei einer erhöhten Energie von 5,36 TeV pro Nukleonpaar (verglichen mit 5,02 TeV zuvor) mit einer Rate von bis zu 50 kHz – mehr als eine Größenordnung über der bisher erreichten. Die Arbeiten beinhalteten den Neustart des verbesserten ALICE-Experiments, das erfolgreich Daten nehmen konnte. GSI/FAIR sind bereits seit Anbeginn am Design, Aufbau und Betrieb von ALICE beteiligt und lieferten entscheidende Upgrades für den Neustart. Das physikalische Hauptforschungsziel dieser Betriebszeit war die Untersuchung des als Quark-Gluon-Plasma bekannten flüchtigen Materiezustands, von dem man annimmt, dass er das Universum bis eine Millionstel Sekunde nach dem Urknall ausgefüllt hat und in Schwerionen-Kollisionen im Labor wiederhergestellt werden kann.
Quark-Gluon-Plasma ist ein Materiezustand aus freien Quarks (Teilchen, aus denen Hadronen wie das Proton und das Neutron bestehen) und Gluonen (Träger der starken Wechselwirkung, die die Quarks im Inneren der Hadronen zusammenhalten). Nur unter den extremsten Bedingungen können die Quarks einzeln existieren und sind nicht in den Hadronen gebunden. Bei Schwerionenkollisionen stoßen Hunderte von Protonen und Neutronen zusammen und bilden ein System mit einer solchen Dichte und Temperatur, dass sich ein winziger Feuerball aus Quark-Gluon-Plasma bildet, der heißesten bekannten Substanz. In diesem Feuerball können sich Quarks und Gluonen für den Bruchteil einer Sekunde frei bewegen, bis sich das Plasma ausdehnt, abkühlt und wieder zu Hadronen wird.
Die Untersuchungen des Quark-Gluon-Plasmas in dieser Schwerionenbetriebsphase konzentrierten sich auf seltene Prozesse wie die Produktion von schweren Quarks, Quarkonium-Zustände, reale und virtuelle Photonen und schwere Kernzuständen. Die erhöhte Anzahl von Kollisionen wird die Messung der Temperatur des Plasmas mit Hilfe von Wärmestrahlung in Form von Photonen und Elektron-Positron-Paaren ermöglichen. Die hydrodynamischen Eigenschaften des nahezu perfekten flüssigen Zustands der Materie werden so mit mehr Detail und „Tomographie“ gemessen mithilfe von Teilchen wie den Charm- oder Beauty-Quarks, die in der Anfangsphase der Kollision erzeugt werden, das Plasma durchqueren und anschließend nachgewiesen werden. Alle diese Messungen konnten mit erhöhter Präzision durchgeführt werden. Die Datenaufnahme für diese Betriebszeit konnte abgeschlossen und insgesamt eine integrierte Leuchtkraft von 2,16 pro Nanobarn erreicht werden.
Um diese Studien mit dem verbesserten Blei-Strahl des LHC durchführen zu können, wurden die Kollisionserkennung und -analyse von ALICE erheblich verbessert. ALICE verwendet nun einen völlig neuen Datenverarbeitungsmodus, bei dem alle Kollisionen ohne Vorauswahl gespeichert werden. Dies ermöglicht, dass bis zu hundertmal mehr Kollisionen pro Sekunde aufgezeichnet werden können. Darüber hinaus wurden die Effizienz und Präzision der Spurrekonstruktion durch die Installation neuer und die Aufrüstung bestehender Subsysteme erhöht.
GSI/FAIR war von Anbeginn an der Entwicklung neuer Messinstrumente, insbesondere an der Konstruktion und dem Bau der ALICE-Zeitprojektionskammer (TPC), sowie am wissenschaftlichen Programm von ALICE beteiligt. Auch zur Entwicklung der neuen Auslesekammern hat GSI/FAIR maßgeblich beigetragen. Ein wesentlicher Teil der Kammern wurde in Zusammenarbeit zwischen der ALICE-Forschungsabteilung und dem Detektorlabor bei GSI/FAIR gebaut. Mitarbeitende beider Abteilungen unterstützten auch beim Einbau der Kammern vor Ort am CERN.
Die Arbeiten bei GSI/FAIR für das ALICE-Upgrade, die innerhalb des Budgets und des Zeitplans abgeschlossen wurden, sind von entscheidender Bedeutung, um die Kollisionsrate von 50 kHz voll auszunutzen, die der LHC bietet. Sie wurden – zusätzlich zur GSI/FAIR-Grundfinanzierung – auch von der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit weiteren Upgrades von LHC-Experimenten finanziell unterstützt.
Auch die IT-Abteilung von GSI/FAIR leistete wichtige Beiträge zu den neuen Softwaresystemen. Das GSI/FAIR-Rechenzentrum bleibt ein integraler Bestandteil des Computernetzwerks für die Datenanalyse des ALICE-Experiments. Das Fachwissen aus den Upgrades ist auch für den zukünftigen Betrieb von FAIR von Bedeutung. In Zukunft werden beispielsweise auch beim Experiment Compressed Baryonic Matter (CBM) kontinuierliche Datenströme ausgelesen. (CP)
Weitere Informationen
- ALICE bei GSI/FAIR
- ALICE-Kollaboration