Erdbebenvorhersage mit GSI-Sensorik
28.03.2023 |
Kann die Kernphysik die Vorhersage von Erdbeben verbessern? Das ist das Ziel des europäischen Forschungsprojekts artEmis, an dem das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung gemeinsam mit zwölf anderen Instituten beteiligt ist. Im Rahmen von artEmis, das bis 2027 mit einer EU-Förderung (Euratom) in Höhe von zwei Millionen Euro unterstützt wird, soll der Grundstein für ein zuverlässiges Frühwarnsystem für Erdbeben gelegt werden. Ein Netzwerk von Sensoren, die den Radongehalt und andere Parameter in ausgewählten Wasserquellen in Europa messen, soll Erdbeben mehrere Tage im Voraus erkennen können.
Seit den 1960er Jahren werden Erdbeben vorhergesagt, indem man das Radon-Gas misst, das aufgrund von Bewegungen in der Erdkruste aus Mikrorissen im Gestein entweicht. „Es wird jedoch immer deutlicher, dass der in der Luft oder im Boden gemessene Radonwert durch Temperaturschwankungen und Luftfeuchtigkeit beeinflusst werden kann, so dass wir stattdessen die Werte im Grundwasser messen,“ sagt Dr. Ayse Ataç Nyberg, Professorin am KTH Royal Institute of Technology in Schweden, die das Projekt leitet.
GSI spielt bei dem Projekt eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Realisierung der Sensorik und Analytik. Aufbauend auf Teilchen- und Strahlungsdetektoren, Signalverarbeitungselektronik und Datenverarbeitungssystemen, die für kernphysikalische Experimente an den GSI-Anlagen verwendet werden, entwickelt die beteiligte GSI-Forschungsgruppe die Sensoreinheiten für artEmis. Die Einheiten werden neben den Radon-Detektoren auch Sensoren für Temperatur, Druck, Leitfähigkeit und andere physikalische Parameter beinhalten. Durch den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI), die ebenfalls aus der Grundlagenforschung bei GSI resultieren, können die Sensoreinheiten autonom betrieben werden. Der GSI-Wissenschaftler Dr. Jürgen Gerl, der im artEmis Projekt mit seinem Team für die Sensoreinheiten verantwortlich ist, bestätigt: „Wir freuen uns durch Anwendung von Detektionssystemen und Methoden unserer Grundlagenforschung einen wichtigen Beitrag zur praktischen Realisierung eines Frühwarnsystems für Erdbeben zu leisten.“
In einem ersten Schritt werden Messungen an Verwerfungslinien in Griechenland, Italien und der Schweiz durchgeführt. Über Forschungsstationen in diesen Ländern hat das Team Zugang zu Grundwasserquellen, in denen Sensoreinheiten platziert werden können. Hunderte von solchen Einheiten, verteilt über die erdbebengefährdeten Gebiete, bilden jeweils ein Netzwerk. Die fortgeschrittene Analyse der Netzwerkdaten erfolgt durch maschinelles Lernen und KI. Ziel dabei ist es, Änderungen der lokalen Radon-Konzentration eindeutig mit seismischen Aktivitäten zu verknüpfen und andere Ursachen (Fehlalarme) auszuschließen. (LW)