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Archiv | 2024 | KW:04 |Ausgabe: 04-2024 | 22.01. - 28.01.


Kurier - Mitteilungen von und für Mitarbeitende

Ausgabe: 04-2024 | 22.01. - 28.01.

Nachrichten
Wissenschaftliche Sitzungen/Seminare bei GSI

 Nachrichten

Trauer um Prof. Dr. Gottfried Münzenberg


Quelle: G. Otto, GSI
 

Mit größter Hochachtung und tief empfundener Dankbarkeit nehmen wir Abschied von

 

Univ.-Prof. i.R. Dr. Dr. h.c. mult. Gottfried Münzenberg (1940 – 2024)

 

einem herausragenden Menschen und Wissenschaftler, der über viele Jahre die Geschicke der Kernphysik bei GSI gelenkt, das wissenschaftliche und instrumentelle Portfolio gestaltet und nicht zuletzt auch das Bild der GSI in der internationalen Forschungslandschaft maßgeblich geprägt hat. Er hatte großen Einfluss auf verschiedene Bereiche der modernen Kernphysik, von sehr leichten exotischen bis hin zu superschweren Kernen, von physikalischen Grundlagen bis zu Anwendungen. Unter seiner Führung entstanden viele hervorragende, weltweit beachtete wissenschaftliche und apparative Spitzenleistungen der GSI. So initiierte er die Gründung der NUSTAR-Kollaboration und trug maßgeblich zur Gestaltung des wissenschaftlichen Programms für den Super-FRS bei.

 

Gottfried Münzenberg wurde 1940 in Nordhausen geboren, besuchte die Schule in Wolfsburg und studierte Physik an der Justus-Liebig-Universität in Gießen sowie an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck (Österreich). Nach seinem Diplom 1967 promovierte er bei Heinz Ewald in Gießen zum Thema „Stigmatisch fokussierendes Teilchenspektrometer“ und legte damit die ionenoptische Grundlage für das Geschwindigkeitsfilter SHIP, das er bei GSI in der Abteilung von Peter Armbruster aufbaute und ab 1976 als Gruppenleiter zur Synthese schwerer Elemente und für die Suche nach superschweren Elementen nutzte. Er leitete die Experimente zur Synthese der neuen Elemente Bohrium (1981), Hassium (1984) und Meitnerium (1982) – mit denen die GSI erstmalig weltweit eine herausragende Rolle bei der Entdeckung neuer chemischer Elemente spielte – und war Mitentdecker des Protonenzerfalls im Grundzustand (1982). Mit diesen Ergebnissen habilitierte er sich 1988 an der Justus-Liebig-Universität in Gießen im Fach Experimentalphysik und wurde 1994 zum Professor berufen. Während dieser Zeit wirkte er an der Entdeckung der neuen chemischen Elemente Darmstadtium (1995), Roentgenium (1995), and Copernicium (1996) am SHIP mit.

 

Im Rahmen des SIS-ESR-Ausbauprojektes der GSI wurde er bereits 1984 zum Leiter der neu gegründeten Projektil-Fragment-Separator-Gruppe ernannt. Zusammen mit Hans Geissel, Hermann Wollnik und vielen anderen entwickelte er mit internationaler Beteiligung das physikalisch-technische Konzept, er plante den Aufbau und er entwickelte das experimentelle Versuchsprogramm mit relativistischen exotischen Kernstrahlen, welches von Anfang an auch Experimente zu Massen- und Zerfallsmessungen mit exotischen Kernen am Experimentierspeicherring ESR einbezog. Als 1990 die Experimente mit relativistischen Kernstrahlen am Fragmentseparator FRS begannen, war er Mitentdecker der doppelt magischen Kerne 100Sn (1994), 78Ni (1995) und des Protonen-Halos in 8B (1995). Viele weitere wichtige Entdeckungen, die erst durch die Separation relativistischer Kernstrahlen und die Kopplung des FRS mit dem ESR möglich wurden, sind eng mit seinem Namen verbunden. Schon sehr früh erkannte er das wissenschaftlich-medizinische Potential von relativistischen Kernstrahlen und initiierte noch vor der deutschen Wiedervereinigung die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Dresden-Rossendorf zur Entwicklung von in-beam PET.

 

Im Jahr 1996 wurde er zum Professor für Experimentalphysik an die Johannes Gutenberg-Universität in Mainz berufen und leitete gleichzeitig, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2005, den Forschungsbereich KP2 der GSI, welcher aus dem Zusammenschluss der Abteilungen Kernstruktur und Kernchemie hervorging. Unter anderem legte er in dieser Zeit, als Mitglied zahlreicher Arbeitsgruppen, wie z.B. dem NuPECC Megascience Forum, und als Autor wegbereitender Reports, die Grundlagen für die Erweiterung der GSI-Anlage, das wissenschaftliche Programm am Super-FRS und für das Design der neuen Apparate. Ab dem Jahr 2000 war er maßgeblich an der Gründung der NUSTAR-Kollaboration beteiligt. Heute sind die Entdeckung von mehr als 220 neuen Isotopen, die Entdeckung und Erforschung gebundener pionischer Atome, der Beta-Zerfall in gebundene Endzustände in hochionisierten Atomen, mehr als 350 neue Massenmessungen u.v.a.m. in der Kernphysik eng mit seinem Namen verbunden.

 

Die Ergebnisse von Gottfried Münzenbergs Arbeit sind in über 400 Publikationen in renommierten Zeitschriften veröffentlicht, die bis heute mehr als 20.000-mal zitiert wurden, und er hat unzählige Vorträge auf internationalen Konferenzen und Arbeitstreffen gehalten. Sein bevorzugtes Thema war die Verbindung von kernphysikalischer Forschung mit apparativen Entwicklungen, speziell in Verbindung mit der Ionenoptik. Obwohl er Generalist war und sich nie in Details verlor, hatte er stets hervorragende Kenntnisse von fachlichen Details; so konnte er auch mit Ingenieuren über technische Belange ausgesprochen kompetent diskutieren. Unzählige Abschlussarbeiten sind unter seiner Anleitung entstanden. In den Jahren nach 2005 lebte er mit seiner Familie in der Nähe von Hildesheim und blieb dabei der GSI und der Wissenschaft durch ausgewählte Aktivitäten und Beiträge weiterhin verbunden.

 

Gottfried Münzenberg war nicht nur ein brillanter Wissenschaftler und herausragender Richtungsweiser, sondern auch ein Wegbereiter vieler internationaler Kollaborationen. Er entwickelte, pflegte und förderte vielfältige individuelle wie institutionelle Kooperationen in Deutschland, Europa und weltweit. Bereits zu Zeiten des Kalten Krieges pflegte er den wissenschaftlichen Austausch und die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Dubna, in Polen, in der Tschechoslowakei, in Rumänien. Europa- und weltweit war er ein gefragter Ratgeber und Partner, bei Theoretikern und Experimentatoren. Er war Mitglied zahlreicher wissenschaftlich-technischer Beiräte und Beratungsgremien an den großen Forschungszentren und -anlagen dieser Welt. Besondere Verbindungen pflegte er auch mit Kollaborationspartnern am RIKEN in Japan, am IMP in China und an der Manipal-Universität in Indien. Der Nachwuchsförderung widmete er sich auch noch nach 2005, z.B. im Rahmen der der GENCO-Community, deren Gründungspräsident er war und bis 2015 blieb.

 

Die wissenschaftliche Arbeit von Gottfried Münzenberg wurde mit zahlreichen hochrangigen Auszeichnungen und Ehrungen gewürdigt. Er war seit dem Jahr 2000 Ehrendoktor des Joint Institute for Nuclear Research in Dubna, Russland, und seit 2013 Ehrendoktor der Universität Jyväskylä, Finnland. Im Jahr 1983 erhielt er den Röntgenpreis der Justus-Liebig-Universität Gießen, 1984 den Physikpreis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (zusammen mit Sigurd Hofmann, Willibrod Reisdorf und Karl-Heinz Schmidt), 1996 den Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt (zusammen mit Sigurd Hofmann), 1996 die Golden Medal of the Faculty of Mathematics and Physics der Comenius Universität in Bratislava, 1998 die SUNAMCO Medal of IUPAP (zusammen mit der SHIP-Gruppe und der FRS-Gruppe), 2001 den Lise Meitner Preis der European Physical Society (zusammen mit Yuri Oganessian und Peter Armbruster), und schließlich 2002 die Honorary Medal der Hellenic Nuclear Physics Society, zu deren Ehrenmitglied er im Jahr ernannt 2003 wurde.

 

Gottfried Münzenberg war viel mehr als nur ein Kollege. Wir haben einen herausragenden Menschen, Wissenschaftler und Freund verloren. Er war ein Schlüsselakteur auf dem Gebiet der modernen Kernphysik, in Deutschland, auf unserem Kontinent und weltweit. Sein Einfluss auf die Wissenschaft, auf instrumentell-technische Innovationen und neue wissenschaftliche Apparate war über viele Jahrzehnte hinweg beträchtlich und prägt mithin auch die zukünftige Forschung. Wir werden seine menschliche und herzliche Art vermissen. Unser Gedenken und unsere aufrichtige Anteilnahme gelten seiner Familie. Wir werden ihn für seine Klugheit, Wärme und Freundschaft in Erinnerung behalten. Seine Schlagfertigkeit war sagenhaft, sein Redetempo uneinholbar, sein Schalk war großartig und erfrischend, viele seiner spontanen und oftmals unglaublich lustig-launigen Kommentare – situationsbezogen auch heute und in Zukunft noch oft zitiert – bleiben in unvergesslicher Erinnerung.

 

Am 2. Januar 2024 ist Gottfried Münzenberg in Greifswald gestorben.

 

Christoph Scheidenberger (GSI Darmstadt und JLU Gießen) für die Kollegen und Freunde von Gottfried Münzenberg

Mourning for Prof. Dr. Gottfried Münzenberg

 

With the greatest respect and deepest gratitude, we bid farewell to

 

Univ.-Prof. i.R. Dr. Dr. h.c. mult.Gottfried Münzenberg (1940 - 2024)

 

an outstanding person and scientist who guided the fortunes of nuclear physics at GSI for many years, shaped the scientific and instrumental portfolio and, last but not least, significantly formed the image of GSI in the international research landscape.

 

He had a major influence on various areas of modern nuclear physics, from very light exotic to super-heavy nuclei, from physical principles to applications. Under his leadership, many outstanding, world-renowned scientific and instrumental top achievements of GSI were created. For example, he initiated the founding of the NUSTAR collaboration and contributed significantly to the design of the scientific program for the Super-FRS.

 

Gottfried Münzenberg was born in Nordhausen in 1940, attended school in Wolfsburg and studied physics at the Justus Liebig University in Giessen and the Leopold Franzens University in Innsbruck (Austria). After graduating in 1967, he completed his doctorate under Heinz Ewald in Giessen on the subject of „Stigmatisch fokussierendes Teilchenspektrometer“, thus laying the ion-optical foundation for the SHIP velocity filter, which he set up at GSI in Peter Armbruster's department and used from 1976 as group leader for the synthesis of heavy elements and for the search for superheavy elements. He led the experiments to discover the new elements Bohrium (1981), Hassium (1984) and Meitnerium (1982) — with which GSI played a prominent role in the discovery of new chemical elements for the first time worldwide — and was co-discoverer of proton decay in the ground state (1982). With these results, he habilitated in 1988 at the Justus Liebig University in Giessen in the field of experimental physics and was appointed professor in 1994. During this time, he was involved in the discovery of the new chemical elements darmstadtium (1995), roentgenium (1995), and copernicium (1996) at SHIP.

 

As part of the SIS-ESR upgrade at GSI, he was appointed head of the newly founded projectile fragment separator group in 1984. Together with Hans Geissel, Hermann Wollnik and many others, he developed the physical-technical concept with international participation, he planned the construction and he developed the experimental program with relativistic exotic nuclear beams, which from the beginning also included experiments on mass and decay measurements with exotic nuclei at the experimental storage ring ESR. When the experiments with relativistic nuclear beams began at the fragment separator FRS in 1990, he was co-discoverer of the doubly magic nuclei 100Sn (1994), 78Ni (1995) and the proton halo in 8B (1995). Many other important discoveries, which only became possible through the separation of relativistic nuclear beams and the combination of the FRS with the ESR, are closely associated with his name. He recognized the scientific and medical potential of relativistic nuclear beams very early on and initiated the collaboration with colleagues from Dresden-Rossendorf to develop in-beam PET even before German reunification.

 

In 1996, he was appointed Professor of Experimental Physics at the Johannes Gutenberg University in Mainz and at the same time, until his retirement in 2005, headed the KP2 research department at GSI, which emerged from the merger of the Nuclear Structure and Nuclear Chemistry departments. During this time, as a member of numerous working groups, such as the NuPECC Megascience Forum, and as the author of pioneering reports, he laid the foundations for the expansion of the GSI facility, the scientific program at the Super-FRS and the design of the new apparatus. From 2000 onwards, he played a key role in the founding of the NUSTAR collaboration. Today, the discovery of more than 220 new isotopes, the discovery and research of bonded pionic atoms, bound beta decay in highly ionized atoms, more than 350 new mass measurements and much more in nuclear physics are closely associated with his name.

 

The results of Gottfried Münzenberg's work have been published in over 400 papers in renowned journals, which have been quoted more than 20,000 times to date, and he has given countless lectures at international conferences and working meetings. His favorite topic was the combination of nuclear physics research with instrumental developments, especially in connection with ion optics. Although he was a generalist and never got lost in details, he always had excellent knowledge of technical details; thus he was also able to discuss technical issues with engineers in an extremely competent manner. Countless theses were written under his guidance. In the years after 2005, he lived with his family near Hildesheim and remained connected to GSI and science through selected activities and contributions.

 

Gottfried Münzenberg was not only a brilliant scientist and outstanding pioneer, but also a trailblazer for many international collaborations. He developed, cultivated and promoted a wide range of individual and institutional collaborations in Germany, Europe and worldwide. Even during the Cold War, he fostered scientific exchange and collaboration with colleagues in Dubna, Poland, Czechoslovakia and Romania. He was a popular advisor and partner for theorists and experimenters in Europe and around the world. He was a member of numerous scientific and technical advisory boards and committees at the world's major research centers and facilities. He also maintained special links with collaboration partners at RIKEN in Japan, IMP in China and Manipal University in India. He continued to promote young scientists after 2005, e.g. as part of the GENCO community, of which he was the founding president and remained so until 2015.

 

Gottfried Münzenberg's scientific work has been recognized with numerous high-ranking awards and honors. He has been an honorary doctor of the Joint Institute for Nuclear Research in Dubna, Russia, since 2000 and an honorary doctor of the University of Jyväskylä, Finland, since 2013. In 1983, he received the Röntgen Prize of the Justus Liebig University Giessen, in 1984 the Physics Prize of the German Physical Society (together with Sigurd Hofmann, Willibrod Reisdorf and Karl-Heinz Schmidt), in 1996 the Otto Hahn Prize of the City of Frankfurt (together with Sigurd Hofmann), 1996 the Golden Medal of the Faculty of Mathematics and Physics of the Comenius University in Bratislava, 1998 the SUNAMCO Medal of IUPAP (together with the SHP group and the FRS group), 2001 the Lise Meitner Prize of the European Physical Society (together with Yuri Oganessian and Peter Armbruster), and finally in 2002 the Honorary Medal of the Hellenic Nuclear Physics Society, of which he was made an honorary member in 2003.

 

Gottfried Münzenberg was much more than just a colleague. We have lost an outstanding person, scientist and friend. He was a key player in the field of modern nuclear physics, in Germany, across our continent and worldwide. His influence on science, on instrumental and technical innovations and new scientific apparatus was considerable over many decades and therefore also shaped future research. We will miss his human and cordial nature. Our thoughts and sincere condolences go out to his family. We will remember him for his wisdom, warmth and friendship. His quick-wittedness was legendary, his speed of speech uncatchable, his wit was great and refreshing, many of his spontaneous and often incredibly funny and humorous comments — often quoted today and in the future — will remain an unforgettable memory.

 

Gottfried Münzenberg died in Greifswald on January 2, 2024. 

 

Christoph Scheidenberger (GSI-Darmstadt and JLU-Gießen) for the colleagues and friends of Gottfried Münzenberg

 

C. Scheidenberger


  • 23.01. 14:30 Uhr, Plasmaphysik Seminar

Plasmaphysik Seminar, 2024-01-23 14:30:00 Uhr

SB3 3.170a, GSI

Kronberg Elena A. Ludwig-Maximilians-Universität München


  • 23.01. 16:15 Uhr, GSI-FAIR Colloquium

GSI-FAIR Colloquium, 2024-01-23 16:15:00 Uhr

Main Lecture Hall, GSI

Nancy Paul Laboratoire Kastler Brossel


  • 24.01. 14:00 Uhr, C++ User Group

C++ User Group, 2024-01-24 14:00:00 Uhr

C27 3.010 - C27 Ebene 3, GSI


  • 24.01. 14:00 Uhr, Wissenschaft für Alle

Wissenschaft für Alle, 2024-01-24 14:00:00 Uhr

Großer Hörsaal, SB1 1.201, GSI/FAIR

Haik Simon GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH(GSI)


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