Beobachtung von Beschleunigerresonanzen in 4D
Zum ersten Mal konnten Forschende am CERN in Zusammenarbeit mit Forschenden der GSI eine gekoppelte Resonanzstruktur messen, die Teilchenverluste in Beschleunigern verursachen kann
27.03.2024 |
Diese News basiert auf einer Mitteilung des Forschungszentrums CERN, Schweiz
Ob beim Hören von Musik oder beim Schieben einer Schaukel auf dem Spielplatz – wir alle kennen Resonanzen und wissen, wie sie einen Effekt verstärken, zum Beispiel einen Ton oder eine Bewegung. In kreisförmigen Teilchenbeschleunigern mit hoher Intensität können Resonanzen jedoch hinderlich sein und dazu führen, dass Teilchen von ihrer Bahn abkommen, was wiederum zu Strahlverlusten führt. Um vorhersagen zu können, wie sich Resonanzen und nichtlineare Phänomene auf Teilchenstrahlen auswirken, müssen einige sehr komplexe dynamische Vorgänge entschlüsselt werden.
Zum ersten Mal konnten Forschende am Super Proton Synchrotron (SPS) des Forschungszentrums CERN in Zusammenarbeit mit Forschenden von GSI/FAIR in Darmstadt die Existenz einer bestimmten Resonanzstruktur experimentell nachweisen. Diese Struktur war zuvor zwar theoretisch beschrieben und in Simulationen dargestellt worden, ist aber experimentell sehr schwer zu untersuchen, da sie Teilchen in einem vierdimensionalen Raum beeinflusst. Raum bezieht sich dabei auf den „Phasenraum“, den Raum, in dem alle möglichen Zustände eines Systems dargestellt werden.
Ihre Ergebnisse haben die Forschenden nun in „Nature Physics“ veröffentlicht. Diese neuesten Erkenntnisse werden dazu beitragen, die Strahlqualität für Strahlen mit niedriger Energie und hoher Lichtstärke für die LHC-Injektoren am CERN und die SIS18/SIS100-Anlage bei GSI sowie für Hochenergiestrahlen mit großer Helligkeit, wie sie beim LHC und künftigen Hochenergiebeschleunigern eingesetzt werden, zu verbessern.
„Bei diesen Resonanzen kommt es vor, dass die Teilchen nicht genau der gewünschten Bahn folgen, sondern wegfliegen und verloren gehen“, sagt Dr. Giuliano Franchetti, Wissenschaftler bei GSI und einer der Autoren der Studie. „Das führt zu einer Beeinträchtigung des Strahls und erschwert das Erreichen der erforderlichen Strahlparameter.“
Die Idee, nach der Ursache dafür zu suchen, entstand 2002, als Forschende bei GSI und CERN feststellten, dass die Teilchenverluste zunahmen, als die Beschleuniger für eine höhere Strahlintensität weiterentwickelt wurden. „Die Zusammenarbeit entstand aus dem Bestreben heraus zu verstehen, was diese Maschinen limitiert, damit wir die für die Zukunft benötigte Strahlleistung und -intensität liefern können", sagt Hannes Bartosik, Wissenschaftler am CERN und ebenfalls einer der Autoren der Studie.
Über viele Jahre hinweg wurden Theorien und Simulationen entwickelt, um herauszufinden, wie Resonanzen die Teilchenbewegung in hochintensiven Strahlen beeinflussen. „Es erforderte einen enormen Simulationsaufwand von großen Beschleunigerteams, um die Auswirkungen der Resonanzen auf die Strahlstabilität zu verstehen“, sagt Frank Schmidt vom CERN, ebenfalls einer der Autoren der Studie. Die Simulationen zeigten, dass Resonanzstrukturen, die durch die Kopplung in zwei Freiheitsgraden entstehen, eine der Hauptursachen für die Verschlechterung der Strahlqualität sind.
Es hat lange gedauert, bis man herausgefunden hat, wie man experimentell nach diesen Resonanzstrukturen suchen kann. Das liegt daran, dass sie vierdimensional sind und der Strahl sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Ebene gemessen werden muss, um zu sehen, ob sie existieren. „In der Beschleunigerphysik wird oft nur in einer Ebene gedacht“, fügt Franchetti hinzu. Um zu messen, wie sich Resonanzen auf die Teilchenbewegung auswirken, verwendeten die Forschenden Strahlpositionsmonitore rund um das SPS. Bei etwa 3000 Strahldurchgängen wurde gemessen, ob sich die Teilchen im Strahl sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Ebene in der Mitte oder weiter seitlich befanden. „Das Besondere an unseren jüngsten Ergebnissen ist, dass sie zeigen, wie sich einzelne Teilchen in einer gekoppelten Resonanz verhalten“, so Bartosik weiter. „Wir können zeigen, dass die experimentellen Ergebnisse mit dem übereinstimmen, was aufgrund von Theorie und Simulation vorhergesagt wurde.“
Während die Existenz der gekoppelten Resonanzstrukturen nun experimentell beobachtet wurde, ist noch viel mehr Forschung nötig, um ihre nachteilige Wirkung zu verringern. „Wir entwickeln eine Theorie, die beschreibt, wie sich Teilchen in Gegenwart dieser Resonanzen bewegen“, berichtet Franchetti weiter. „Wir hoffen, dass wir mit dieser Studie und den vorangegangenen Studien Hinweise darauf erhalten, wie wir die Auswirkungen dieser Resonanzen bei aktuellen und zukünftigen Beschleunigern vermeiden oder minimieren können.“ (CERN/BP)
Weitere Informationen
Wissenschaftliche Veröffentlichung „Observation of fixed lines induced by a nonlinear resonance in the CERN Super Proton Synchrotron“ im Fachmagazin Nature Physics