Europäische Union fördert GSI-Forschungsprojekt zur Tumortherapie in Millionenhöhe: Renommierter ERC-Preis für Professor Christian Graeff aus der Biophysik
23.11.2023 |
Professor Christian Graeff aus der GSI-Abteilung Biophysik ist mit dem begehrten Consolidator-Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) ausgezeichnet worden. Der angesehene Forschungsförderpreis unterstützt mit einer Fördersumme in Millionenhöhe ein Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Tumortherapie, das Christian Graeff als Hauptforscher leiten und mit einem entsprechenden Team umsetzen wird. Der hochrangige Preis unterstreicht zugleich die herausragende Qualität der wissenschaftlichen Forschung am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und dem dort entstehenden künftigen Beschleunigerzentrum FAIR.
Die ERC-Consolidator-Grants sind Förderung und Anerkennung gleichermaßen: Sie unterstützen herausragende vielversprechende Wissenschaftler*innen aller Fachbereiche in einem Karrierestadium, in dem sie dabei sind, ihre eigenen unabhängigen Forschungsteams zu konsolidieren, um ihre vielversprechendsten wissenschaftlichen Ideen zu verfolgen. Ausgestattet sind sie mit einer Förderung in Höhe von jeweils maximal zwei Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren.
Professor Christian Graeff ist stellvertretender Leiter der Abteilung Biophysik, Leiter der Gruppe Medizinische Physik innerhalb der GSI-Biophysik und Professor am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik (ETIT) der TU Darmstadt. Seine Lehrtätigkeit liegt im Rahmen des Masterstudiengangs Medizintechnik, der Kenntnisse und Fähigkeiten in den Ingenieurswissenschaften und der Humanmedizin vermittelt. Professor Graeffs Schwerpunktthemen sind neben neuartigen Anwendungen von Ionenstrahlen (beispielsweise Forschungen zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit dem Einsatz von Kohlenstoffionen) auch die Entwicklung von Verfahren zur Bestrahlung bewegter Ziele mit gescannten Ionenstrahlen. Wichtige wissenschaftliche Fortschritte erreichte er auch auf dem Gebiet neuer Therapiekontrollsysteme für das Rasterscanning.
In seinem neuen Projekt mit dem Titel „Portal Range Monitoring in Mixed Ion Beam Surgery“ (PROMISE) will Christian Graeff den Ablauf der Tumortherapie mit geladenen Teilchen weiterentwickeln. „Die Hälfte der jährlich etwa vier Millionen Krebsfälle in Europa wird mit Strahlentherapie behandelt. Während viele Krebspatienten in den letzten Jahren von technischen Verbesserungen profitiert haben, sind die Heilungsraten bei weit verbreiteten Krankheiten wie Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs immer noch erschreckend niedrig. Die Kohlenstoffionen-Strahlentherapie (CIRT) bietet eine beispiellose Präzision bei der Verabreichung der Tumordosis und kann für diese Patient*innen die dringend benötigte Wende bringen. Allerdings ist die CIRT noch anfällig für Unsicherheiten bei der Patientenpositionierung, bei anatomischen Veränderungen und Organbewegungen“, erklärte Christian Graeff. Neuartige Strategien für die Bildführung und die Beurteilung der Strahlreichweite seien deshalb entscheidend, um das volle Potenzial der CIRT für die bestmögliche Patient*innenversorgung zu erschließen.
Hier setzt das neue ERC-geförderte Projekt an. Die Idee besteht darin, einen gemischten Strahl für die Behandlung und für die Bildgebung während der Behandlung zu verwenden. PROMISE wird zum ersten Mal gemischte Ionenstrahlen erzeugen, die eine gleichzeitige Behandlung und Bildführung ermöglichen. Kohlenstoff-Ionen liefern die Dosis für das Ziel, während Helium-Ionen, die gleichzeitig auf die gleiche Geschwindigkeit beschleunigt werden, die Patient*innen durchqueren und die Lage des Tumors und die Strahlentfernung überwachen. Damit könnte PROMISE eine Bildgebung ermöglichen, die Echtzeitinformationen über die Zielanatomie liefert, wie sie vom Behandlungsstrahl gesehen wird. In Verbindung mit innovativen Detektoren, KI-basierter Bilderkennung und Online-Dosisrekonstruktion könnte diese Technik eine deutliche Verkleinerung der Sicherheitsmargen und das volle Potenzial der CIRT ausschöpfen.
Die GSI-Beschleuniger eignen sich dabei hervorragend für die Entwicklung des ersten gemischten Strahls aus Kohlenstoff und Helium sowie für Strategien zur kosteneffizienten Übertragung auf bestehende und künftige klinische CIRT-Zentren. Die Methode wird im Rahmen des PROMISE-Projekts experimentell auf dem Campus bei GSI in Darmstadt validiert. „Die Mixed-Beam-Bildführung von PROMISE kann zu einem Paradigmenwechsel in der Kohlenstoffionen-Strahlentherapie führen und könnte damit auch eine bessere Behandlung erlauben“, fasst Graeff zusammen.
Christian Graeff studierte Medizin-Ingenieurwesen an der TU Hamburg-Harburg und promovierte über Computertomographie-gestützte Osteoporosediagnostik zum Dr.-Ingenieur. Zunächst arbeitete er als Postdoc in der Gruppe Medizinische Physik in der GSI-Abteilung Biophysik, bevor er 2012 die Leitung dieser Gruppe übernahm. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Professor Christian Graeff bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Günther-von-Pannewitz-Preis der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) sowie mit dem Behnken-Berger-Preis für junge Nachwuchswissenschaftler*innen.
Professor Christian Graeff sagte: „Ich danke dem Europäische Forschungsrat, dass er mir seiner Förderung über den ERC-Consolidator-Grant eine so großartige Chance gibt. Ich freue mich darauf, PROMISE gemeinsam mit meinem Team und den renommierten Fachleuten der GSI-Beschleunigerabteilung zu verwirklichen.“ Auch der Leiter der GSI-Biophysik, Professor Marco Durante, sagte: "Ich freue mich, dass Christian Graeff für seine fantastische Idee geehrt und gefördert wurde. Dies ist die zweite ERC-Förderung innerhalb weniger Jahre für die Abteilung Biophysik, ein klares Zeichen dafür, dass unsere Forschungstätigkeit zukunftsweisend und erfolgreich ist. Beide ERC-Grants führen revolutionäre Konzepte in der Teilchentherapie ein, und beide nutzen die einzigartigen Möglichkeiten, welche die GSI/FAIR-Beschleunigeranlage bietet. Einmal mehr zeigen wir, wie erfolgreich unsere biomedizinische Forschung dank der außergewöhnlichen Infrastrukturen der GSI/FAIR-Anlage ist.“ Professor Paolo Giubellino, Wissenschaftlicher Geschäftsführer von GSI und FAIR, betonte: „Ich freue mich sehr für Professor Graeff, der mit diesem innovativen Projekt und seinem Engagement wichtige Herausforderungen in der medizinischen Physik angeht. Der Grant unterstreicht zudem die hervorragenden Forschungsperspektiven am GSI Helmholtzzentrum und dem internationalen Beschleunigerzentrum FAIR. Das liegt an der Einzigartigkeit unserer Einrichtungen, aber noch mehr an der außergewöhnlichen Qualität unserer Mitarbeitenden bei Experimenten und an Beschleunigern. Künftig werden wir die Möglichkeiten solcher bahnbrechenden Forschung noch weiter ausbauen und wichtige Pionierleistungen ermöglichen können.“ Professorin Maria Leptin, Präsidentin des Europäischen Forschungsrates, sagte: „Die neuen Gewinner*innen der Consolidator-Grants repräsentieren einige der besten europäischen Forschungsprojekte. Es ist bedauerlich, dass wir aus Budgetgründen nicht jedes verdienstvolle Projekt unterstützen können.“ (BP)
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Pressemitteilung des Europäischen Forschungsrates (auf Englisch)