Erfolgreicher Start: Serienproduktion der SIS100 supraleitenden Quadrupoleinheiten und Quadrupolmodule hat begonnen
10.02.2022 |
Im großen Ringbeschleuniger SIS100, dem Herzstück des künftigen Beschleunigerzentrums FAIR, werden verschiedene einzigartige und maßgefertigte Magnete und ganze Magnetsysteme dafür sorgen, dass der Ionenstrahl präzise gelenkt und fokussiert wird. Die Serienproduktion einer entscheidenden Magnetgruppe, der Quadrupolmodule, hat vor kurzem begonnen.
Neben den supraleitenden Dipolmodulen gehören die supraleitenden Quadrupolmodule zu den wichtigsten Komponenten des SIS100. Während es bei den Dipolmodulen nur zwei unterschiedliche Typen gibt, umfasst die Serie der Quadrupolmodule elf verschiedene Typen. Davon weisen zwei Module, für die Bereiche Injektion und Extraktion, eine besonders anspruchsvolle mechanische Konstruktion auf. Die Serienproduktion und das Kalttesten der 110 Dipolmodule konnten 2021 erfolgreich abgeschlossen werden, für die Quadrupolmodule hat sie nun begonnen.
Wesentliche Komponenten der sehr komplexen Quadrupolmodule sind die supraleitenden Quadrupoleinheiten. Jedes Modul beinhaltet zwei Quadrupoleinheiten. Diese wiederum enthalten neben den zur Strahlfokussierung benötigten Quadrupolmagneten in unterschiedlichen Konfigurationen auch noch supraleitende Korrekturmagnete, beispielsweise die für die Bahnkorrektur erforderlichen „Steerer“-Magnete oder Sextupolmagnete zur Korrektur der Chromatizität, also der Fokussierunterschiede durch die Energieverteilung der Teilchen im Strahl. Ergänzt werden diese Korrekturmagnete um weitere, an den Bogenenden platzierte, supraleitende Magnete.
Alle supraleitenden Fokussier- und Korrekturmagnete werden als russischer Inkind-Beitrag am Joint Institute for Nuclear Research (JINR) im russischen Dubna gefertigt. Die Entwicklung der Magnettechnologie wurde in der Projektvorlaufphase gemeinsamen durch GSI und JINR durchgeführt. Während in den Quadrupolmagneten wie auch in den Dipolmagneten das weiterentwickelte Nuklotronkabel zum Einsatz kommt, musste für die Korrekturmagnete ein neues, spezielles supraleitendes Kabel mit isolierten Strängen entwickelt werden. Das Design der verschiedenen Quadrupoleinheiten wird, aufbauend auf der gemeinsamen Entwicklung, durch das GSI-Konstruktionsbüro ausgeführt.
Alle Quadrupoleinheiten werden in Dubna sowohl im warmen als auch im kalten Zustand getestet. Für den Kalttest bei 4 Kelvin (das entspricht 4 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt bei rund -273 Grad) wurde zuvor im Rahmen einer Kollaborationsvereinbarung eine sechs Testbänke umfassende Kryo-Testeinrichtung aufgebaut. Diese wird sowohl zum Testen der supraleitenden Magnete des künftigen, bei GSI in Darmstadt entstehenden Beschleunigerzentrums FAIR als auch der Beschleunigeranlage NICA, die derzeit in Dubna beim JINR errichtet wird, eingesetzt.
Alle in Dubna gefertigten Quadrupoleinheiten werden nach umfangreichen Abnahmetests an die Firma Bilfinger Noell in Würzburg versandt, die mit der Integration der Quadrupolmodule beauftragt wurde. Neben den Quadrupoleinheiten aus Dubna stellt GSI zahlreiche weitere kryogene Komponenten zur Integration bereit, beispielsweise Strahlpositionsmonitore, Ionenfänger und dünnwandige Quadrupol-Kammern und vieles andere mehr. Die Fertigung dieser Komponenten wurde zuvor von GSI bei verschiedenen Unternehmen beauftragt. Wichtigste Aufgabe dabei ist die zeitliche Synchronisierung aller Aktivitäten, wegen der technischen Komplexität der Gewerke eine besondere Herausforderung.
Parallel dazu wurde mit dem italienischen nationalen Kernphysikinstitut (INFN, Istituto Nazionale di Fisica Nucleare) über die Verwendung der supraleitenden Testeinrichtung in Salerno für das SIS100 Projekt verhandelt und eine Kollaborationsvereinbarung unterzeichnet. An der Testeinrichtung wird die Serie der bei Bilfinger Noell integrierten SIS100-Quadrupolmodule getestet.
Nach erfolgreicher Implementierung der hohen Qualitätsstandards und Qualitätssicherungsstandards am JINR gelang der erfolgreiche Start der Serienfertigung am JINR und der Serienintegration bei Bilfinger Noell. 26 Quadrupoleinheiten konnten im Jahr 2021 am JINR gefertigt und getestet und Bilfinger Noell zur Integration bereitgestellt werden. Zeitgleich wurde bei Bilfinger Noell die Integration der Module parallelisiert. GSI wird das Kalttesten der Serienmodule in Salerno durch das Testen von zirka 20 integrierten Quadrupolmodulen an der „Serien Test Facility“ (STF) auf dem Campus in Darmstadt begleiten. (BP)