Präzisionsmassenmessungen von Indiumisotopen ermöglichen Rückschlüsse auf die Masse des Atomkerns von Zinn-100

29.11.2021

Diese Nachricht basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Greifswald

Aus physikalischer Sicht ist der Atomkern Zinn-100 magisch, da er zwei stabile Schalenabschlüsse hat. Dennoch ist es sehr schwer seine Masse experimentell zu bestimmen. Einer internationalen Forschungskollaboration am europäischen Forschungszentrum CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) mit Beteiligung von Wissenschaftler*innen des GSI Helmholtzzentrums und der Universität Greifswald ist es nun gelungen, mittels Präzisionsmassenmessungen an den Indium-Isotopen In-99, In-100 und In-101 Rückschlüsse auf die Masse von Zinn-100 zu ermöglichen. 

Ähnlich wie Elektronen in Atomhüllen gruppieren sich auch die Kernbausteine, die Protonen und Neutronen, zu quantenmechanischen Schalen. Sind diese Schalen gefüllt, dann haben die Kerne hohe Bindungsenergien und sind besonders stabil. Daher werden die Schalenabschlusszahlen 8, 20, 28, 50, 82 und 126 auch „magisch“ genannt. Von ganz besonderem Interesse sind die doppelt magischen Kerne. In diesen Kernen erreichen sowohl die Protonenzahl Z als auch die Neutronenzahl N einen stabilen Schalenabschluss. Unter diesen doppeltmagischen Kernen sticht der Kern des Zinn-Isotops Sn-100 hervor. Er ist der schwerste Kern, bei dem Z und N den gleichen Wert besitzen, nämlich 50. Doch bisher ist eine direkte experimentelle Bestimmung seiner Masse äußerst schwierig. Die Gründe liegen in den Schwierigkeiten bei der Herstellung von Sn-100 sowie in dessen kurzer Halbwertszeit von nur etwa einer Sekunde.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum doppeltmagischen Sn-100 liegen die Kerne des Elements Indium. Diese haben ein Proton weniger als die Zinnkerne. Am CERN konnten nun mit dem Präzisionsmassenspektrometer ISOLTRAP die Massen der Indium-Isotope In-99, In-100 und In-101 bestimmt werden. Dabei wurde die Masse von Indium-99 erstmalig gemessen, jene von Indium-100 und Indium-101 konnten nun wesentlich genauer als bisher bestimmt werden. Ivan Kulikov, Doktorand bei GSI und FAIR, war an den Experimenten beteiligt und war hierfür vier Jahre ans CERN abgeordnet.

Die neuen Ergebnisse, die in Nature Physics veröffentlicht wurden, bestätigen Werte, die bei GSI in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Technischen Universität München gemessen wurden. „Der Beta-Zerfall von Sn-100 wurde vor 13 Jahren im Rahmen des RISING-Gammaspektroskopie-Projekts hinter dem FRS der GSI und in jüngerer Zeit mit einer höheren Statistik am RIKEN in Japan im Rahmen der EURICA-Kampagne untersucht. Die beobachtete Diskrepanz zwischen diesen beiden Ergebnissen führt zu heftigen Diskussionen in der Fachwelt", sagt Dr. Magdalena Gorska, die Mitautorin beider Messungen.
Yuri Litvinov, Leiter des ERC-Projekts „ASTRUm", in dessen Rahmen der GSI-Bereich Atomphysik zu diesem Experiment beigetragen hat, erklärt: „Durch die Verwendung des neuen Massenwertes von In-100 und mit Hilfe theoretischer Berechnungen, die von der Gruppe von Prof. Achim Schwenk an der TU Darmstadt durchgeführt wurden, ist es möglich, eine eindeutige Aussage über die Masse von Sn-100 zu treffen, die eine ältere GSI-Messung von C. Hinke et al. begünstigt, die in Nature veröffentlicht wurde." 

Neben anderen Finanzierungsquellen wurde diese Forschung vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont 2020 der Europäischen Union (Finanzhilfevereinbarung 682841 „ASTRUm") unterstützt.

FAIR wird neue Möglichkeiten zur Beantwortung anspruchsvoller Fragen im Bereich der Kernstruktur und -reaktionen eröffnen. Die internationale Beschleunigeranlage, eines der größten Forschungsprojekte weltweit, befindet sich derzeit bei GSI im Bau. Diese Forschung an FAIR wird von der NUSTAR-Kollaboration vorangetrieben, die spezielle, hochmoderne Experimente am künftigen Fragmentseparator Super-FRS aufbaut. (LW/Universität Greifswald)


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Originalveröffentlichung: M Mougeot et al. (2021): Mass measurements of 99-101In challenge ab initio nuclear theory of the nuclide 100Sn, Nature Physics
Pressemitteilung der Universität Greifswald



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